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Adoptiert-funktioniert? - 14.05.2021


Liebe Tierheim/ Tierschutzvereinmitarbeiter,

wir freuen uns dass etliche unseren Adoptiert-funktioniert Text gern weitergeben möchten.
Danke für die diesbezüglichen Anfragemails :-)
Hiermit erteilt die DSH-Nothilfe Tierschutzvereinen und Tierheimen die Erlaubnis den Text zu kopieren und den Adoptanten weiterzuleiten/ auszuhändigen.

Nicht immer, eher selten, oder auch: sie/ er sind komplett anders als beschrieben…

Sind sie das wirklich?
Werden Adoptanten „angelogen“?
Hier der Erfahrungsbericht mit Enox, einem als sehr einfachen beschriebenen Schäferhund.
Es wäre schön, wenn der Artikel Interessenten und Adoptanten Mut machen könnte.
Mut zum „nicht aufgeben und Geduld haben“
Gerne dürfen Sie auch ein wenig schmunzeln, vielleicht weil Sie ähnliche Erfahrungen mit dem von Ihnen adoptierten Tier gemacht haben oder sich darauf freuen, ähnliche Erfahrungen zu machen.

Enox hatte unser Verein aus einer nicht so guten Haltung übernommen.
Er wurde als Menschen liebender, viel Nähe suchender, einfacher Hund eingeschätzt. Die gemeinsame Haltung mit anderen Tieren war gut vorstellbar. Er lief in seiner Pflegestelle gut an der
Leine, pöbelte keine anderen Hunde an, war eher ein ruhiger Vertreter seiner Rasse.
Enox hat sich in der Pflegestelle gut abrufen und korrigieren lassen.
Gut - er kannte noch nicht viel, war sehr wahrscheinlich nie in einem Haus, einer Wohnung, aber das ist ja kein Thema bei einigermaßen hundeerfahrenen Menschen.
Also:
Enox war ein Hund für uns und unsere „Viecherei“, bestehend aus einer 13 Jahre alten Hündin, einer Katze, zwei Ziegen und einigen auf dem Gelände komplett frei laufenden Hühnern.
Da unsere Hündin Dyana im November verstorben war, konnte Enox als unser neuer eigener Hund bei uns einziehen.
Enox hat sein Für-immer-Daheim und somit könnte dieser Bericht eigentlich beendet sein.
Jetzt denken Sie wahrscheinlich, warum er trotzdem geschrieben wurde…
Ganz einfach - weil es dann doch nicht so einfach ist, mein Bericht geht also weiter.

Stubenrein:
Enox war in seinem Zwinger sauber, hat sich immer nur beim Gassigehen gelöst.
Enox kam in seinem neuen Daheim an und hat die Innenräume in den ersten Tagen öfter markiert.
na super…
Mittlerweile weiß Enox, wo man pieschern darf und wo nicht.

Verträglichkeit:
Enox versuchte, sehr nett Kontakt zu unserer Hündin Ayla aufzunehmen und mein immer und mit allem verträgliches Mädchen hat nur noch aus Zähnen bestanden. Der arme Bub durfte in den ersten Tagen nicht in den Raum, in dem Ayla`s Bett stand. Er hat das zwar nicht verstanden, aber hingenommen.
Im Gegenzug hat er sie dann angeknurrt, wenn sie unser Esszimmer, in dem sein Bett steht, betreten wollte.
Katze Frieda hat es in den ersten Tagen vorgezogen ihr Lager auf einem 2m hohen Schrank aufzuschlagen, was Enox überhaupt nicht verstehen konnte. Zu gerne hätte er Kontakt aufgenommen, aber dieses andersartige Tier hat das überhaupt nicht verstanden.
na super…
Meine Hühner stehen oft vor unserer Tür und warten, dass ihr Futtermensch mit ein paar Leckerli rauskommt.
Hahn Paul stand scheinbar etwas zu nah vor der Tür und schneller, als ich schauen konnte, hatte er ein paar Schwanzfedern weniger, dafür hatte Enox ein paar Schwanzfedern in seiner Schnauze.
Paul war ziemlich missmutig und fand den Neuen blöde.
Die Ziegen Emma und Luise sind derzeit aufgrund der Wetterlage nur in ihrem Stall mit angrenzendem Offenstall.
Enox findet sie faszinierend, versucht sich immer hinzuschleichen und nimmt Kontakt auf.
Wenn er mit den beiden, getrennt durch das Gatter, kommuniziert, ist Rufen ziemlich zwecklos, Enox hat seine Ohren „auf Durchzug gestellt“.
Wir üben noch dolle weiter…

Gassi gehen:
Info war ja, dass Enox gut an der Leine laufen kann.
In den ersten Tagen musste ich permanent achtgeben, dass ich nicht hinfalle. Der zierliche, gefühlte Dreitonner, lief rechts, links, rundum, direkt vor die Füße.
Autos, LKW`s und Co. machten ihm sowas von Angst, dass unser Bärchen, also der zierliche Dreitonner, Panik geschoben hat und auf Dackelgröße zusammengeschmolzen ist.
Wir üben weiter...
Auf unserem Grundstück, inklusive unserem Waldstück, das sich in recht steiler Hanglage befindet,
stolperte Enox über jedes noch so kleines Ästchen, schlug ab und an Purzelbäume, weil er sich am Hang hingesetzt hat und dann rückwärts runtergepurzelt ist (nein, ich würde nieee lachen).
Bei einem Gassigang haben wir ein Bächlein gefunden. Ein Bächlein, was schreibe ich da? Mein Bächlein war für Enox ein gurgelndes, fürchterliche Geräusche machendes Etwas. Ich wollte schauen, was mein Bub anstellt , um hinter mir her kommen zu können und bin über diesen reißenden, ca 50cm breiten Strom gesprungen. Nee Quatsch, springen ging ja wegen der Breite nicht. Da Frauen fliegen können, musste ich den reißenden Strom halt fliegend überqueren. Enox wollte gern zu mir, aber da Männer halt nicht fliegen können, hat er tapfer einen Weg gesucht, um das Etwas überqueren zu können. Geschlagene 5 Minuten hat er gebraucht, bis sein Herz mutig genug war, den Strom trockenen Fußes überqueren zu können.
Mit ganz viel Lob hab ich meinen Bub wieder in Empfang genommen und Enox war stolz wie Bolle , dass er den Strom und sich überwinden konnte.
(ich verrate jetzt auch nicht, dass er sehr mutig hinter Ayla her über die Baumstammbrücke gegangen ist)

Erkrankungen:
Enox hatte ein tumoröses Gebilde am Kiefer, wurde gleich nach Übernahme der DSH-Nothilfe operiert.
Ein paar Tage nach dem Ankommen bei uns fing er erbärmlich an zu hinken.
Oje... sofort spuken die Gedanken von: hat er evtl. HD, ED, Spondylose, oder was immer?
Nein, bzw. ich weiß es nicht und es ist mir auch egal, er hatte schlicht ein neues Frauchen, das es hätte besser wissen müssen, ein Frauchen, das genau das immer wieder den Adoptanten erzählt und sich jetzt ziemlich geschämt hat.
Unser Bub wurde vom Flachlandtiroler zum bergigen Hund, wurde durch das immer nach draußen mitnehmen einfach von mir überfordert und hatte wohl den tollsten Muskelkater seines Lebens.

Letztes pieschern bevor alle zu Bett gehen:
Enox will nicht raus und in den Wald schon dreimal nicht. Im Wald haben wir hier nämlich auch Geister, es ist dunkel, es knackt irgendwo, es fällt auch mal ein Ast von einem Baum, ab und an fressen Rehe aus der für sie hin gestellten Raufe. Diese gruseligen Sachen braucht echt kein Hund und Enox schon gar nicht.
Wir üben weiter…

Im Haus:
Jeden Abend zwischen 21.00 und 22.00 Uhr hat Enox gebellt.
Jede Nacht zwischen 3.00 Uhr und 4.00 Uhr bellt er.
Warum? Wir wissen es nicht, aber auch das wird er mit der Zeit sein lassen.
Wir haben schließlich Geduld und was kann es schöneres geben als nachts um Drei senkrecht im Bett zu stehen?
Wir haben schließlich Geister im Haus und Monster, Monster haben wir auch.
Unsere Hausmonster verbellt Enox immer erfolgreich. Die Biester sind allerdings so penetrant, dass sie immer wieder kommen, immer dann wenn Enox an einer der Glastüren oder am Spiegel vorbei geht .

Enox ist gern bei und mit mir, bemüht sich arg, alles richtig zu machen.
Bei uns gibt es nicht einfach Futter, auf das man sich stürzen darf.
Man muss sitzen und auf ein Kommando warten.
Enox hatte zu Anfang viele Fragezeichen in den Augen: Futter für mich und dann darf ich nicht? Komischer Laden hier..
Mittlerweile kann ich schon bis 5 zählen, Enox bleibt geduldig, mehr oder manchmal bissel weniger sitzend und wartet auf seine Freigabe.
Wir üben weiter…

Mein Mann:
Er macht Enox Angst und nein, er ist definitiv nicht böse, er wurde von allen unseren Hunden geliebt.
Er ist groß, das Stimmchen ist nicht ganz so zart, für Enox scheint er eine Ausstrahlung zu haben, die er (noch) nicht richtig einordnen kann.
Mit meinem Mann raus zum pieschern gehen?
Enox möchte zu ihm, dreht aber dann wieder um und legt sich lieber schnell auf seine Decke.
Also: nicht mehr rufen, hingehen, anleinen und dann rausgehen: funktioniert, allerdings verliert Enox vor Bange ein paar Tropfen Urin.
Futter von meinem Mann hingestellt?
Enox hat Hunger, pieschert aber vor Bange, wenn er sich erst einmal hinsetzen soll.
Aktuell bekommt Enox gar nichts mehr von mir zu futtern.
Mein Mann setzt sich, hat Enox Futterschüssel in der Hand und wartet.
Gestern Morgen war mein Mann so gruselig, dass Enox lieber gar nichts gefressen hat.
(ok- ich gebe zu, er war noch nicht rasiert)
Gestern Abend und heute Morgen hatte unser Bub wirklich Kohldampf und hat seine Bange nach hinten gestellt.
Ich wette, dass der Drops in ein paar Tagen auch gelutscht sein wird, und bin froh, einen so geduldigen Mann zu haben.
Wir üben weiter…

Fazit:
auch wenn sich unsere Vermittlungshunde bei der Pflegestelle toll benehmen, gut gehorchen, gut an der Leine laufen und und…
muss das alles in den ersten Tagen, oder auch Wochen, noch lange nicht im neuen Daheim sein.
Es sind einfach mega viele neue Eindrücke, unglaublich viel Neues, oft eben auch beängstigendes Neues, so dass fast alle ein Weilchen brauchen, bis sie sich an die neue Situation gewöhnt haben und genug Vertrauen zu uns haben können.
Ich wünsche allen Menschen, die ein Tier adoptiert haben, ganz viel Geduld und Durchhaltevermögen, gepaart mit recht viel Konsequenz und Liebe.
Haben Sie immer noch eine Portion Augenzwinkern irgendwo in sich versteckt, die Sie im Bedarfsfall hervorholen können!
Hier zur Liebe und zum Augenzwinkern ein P.S.:
mein 9 jähriger Rüde wird gerade wieder ein Welpe.
Heute Morgen habe ich extrem viel Liebe gebraucht.
Von meinen Lieblingsturnschuhen, die ich gefühlt noch viele Jahre auf Händen getragen hätte, existiert nur noch einer.
Text und Bilder: Heidrun Osietzki, 1 Vorsitzende DSH-Nothilfe und Adoptant von Enox ♥

 
Deutscher Schäferhund Nothilfe e.V.
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